Update: Mein Interview im Deutschlandfunk vom 10.01.2016 ist hier nachzuhören.
Vorab: Viele Grüße an meine Twitter-Timeline und entschuldigt meine Überschrift. Ich folge anscheinend schon viel zu lange @dagobert95…/o\
Anmerkung
Folgenden Text habe ich am 05.01.2016 auf meiner Facebookseite für den Fehlpass-Podcast veröffentlicht.
Originaltext
Artikel in der Süddeutschen Zeitung: http://www.sueddeutsche.de/sport/fc-bayern-mein-verein-mein-vorbild-1.2805634
Gestern habe ich mich mit Benedikt Warmbrunn von der Süddeutsche Zeitung unterhalten. Von unserem fast 25-minütigen Gespräch schafften es nur wenige Zeilen in den Artikel, aber eine Botschaft kommt unmissverständlich rüber: Ich werde ab Sommer kein Vereinsmitglied des FCBayern mehr sein.
Die Diskrepanz zwischen der Vergangenheit des Vereins (Stichwort: jüdische Vergangenheit/Präsident Landauer) und dem Verhalten und den Aussagen in den letzten Jahren – vor allem von den Vereinsverantwortlichen – sind für mich nicht mehr zu ertragen. Die Entscheidung für ein erneutes Wintertrainingslager in Katar, obwohl letztes Jahr die Kritik daran deutlich vernehmbar war, verbunden mit der Tatsache, dass sich z.B. an der Lage der vielen Gastarbeiter dort nahezu nichts geändert hat (siehe dazu z.B. die letzten Reports von Amnesty International), verbunden mit den Erklärungsversuchen des Vereins, brachten für mich das Fass zum Überlaufen.
Anstatt einer offenen Diskussion über die eigenen Werte und wie man sie aktiv in dieser Welt vertreten kann, folgte (kalkuliertes) Schweigen. Das ist mir und meinem Anspruch an meinen Verein zuwenig. YMMV („Your mileage may vary.“ ÜBersetzt: Du/Ihr seht das vielleicht anders.)
Meine Entfremdung vom FC Bayern hat nicht plötzlich und über Nacht stattgefunden, sondern ist ein Produkt aus vielen Erlebnissen in und um die Spiele in der Arena, Gesprächen mit aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern, vielen Journalisten, dem Besuch der außerordentlichen Mitgliederversammlung 2014 und vor allem den Handlungen und Aussagen des Vereins in Form von Interviews und Pressemitteilungen zu vielen Themen, darunter auch Menschenrechte und die eigenen (Geschäfts)Beziehungen u.a. mit Katar.
Wie es letztes Jahr bereits Herr @agitpopblog auf Twitter und in seinem offenen Brief an den FCBayern geschrieben hat (siehe http://www.zeit.de/sport/2015-01/fcbayern-menschenrechte-saudi-arabien-katar) bin ich der Meinung, dass die erneuten Begründungen von Herrn Rummenigge und Co. einer Beleidigung für alle, denen das Thema Menschenrechte wichtig ist, nahe kommt.
Ich halte die Möglichkeit als Mitglied im Verein etwas an diesem Verhalten – dass dieses Sportunternehmen seit Jahren an den Tag legt – zu ändern, und ich meine nachhaltig zu ändern für ein Feigenblatt. Sie wirkt auf mich wie ein Überbleibsel aus Vor-AG-Zeiten. Aber auch als eine willkommene Ausrede für all diejenigen, die selbst nichts an ihrem Verhalten ändern werden und diese „Möglichkeiten“ als Ausrede benutzen um selbst im Verein zu verbleiben und Futter für die eigene kognitive Dissonanz brauchen. „Andere werden sich schon dafür einsetzen.“ „Hauptsache keine Arbeit damit und weiterhin Tickets.“
So eine Jahreshauptversammlung (JHV) des Vereins grenzt für mich schon an eine Kirmesveranstaltung. Da wird z.B. verurteilten Straftätern gehuldigt mit stehenden Ovationen. Der Teil mit den Wortmeldungen verkommt größtenteils zur Folklore. Der überwiegende Anteil der Meldungen schwankt zwischen: „Weiter so!“ und „Wie toll der FCBayern ist“ – vielleicht noch unterbrochen durch ein „Ich bräuchte noch eine Karte für das Spiel gegen XYZ, weil….“ Ja, ich übertreibe und ja, es war schon mal ganz anders und ernst, aber solange der FC Bayern so erfolgreich sein wird, wird meiner Überzeugung nach nichts Nennenswertes oder wichtiges daraus entstehen. Zu groß ist sind die Bestrebungen des Vereins zu einer globalen Sportmarke zu werden, die Reichweite zu erhöhen und neue Märkte zu erschließen.
Dass dazu strategische Partnerschaften zu anderen wichtigen „Playern“ sinnvoll und nützlich sind, ist mir bewusst. Ich will aber nicht (mehr) als Vereinsmitglied von der Führung vertreten werden, die bei diesen Partnerschaften immer wieder und wieder die Abwägung vollzieht und sich dann doch für das Geld (oder eben anderes gerade nützliches) entscheidet.
Diejenigen, die von mir jetzt totale Konsequenz oder ähnliches fordern, weil sie mich und meinen Schritt „ansonsten nicht ernst nehmen“ könnten, möchte ich – aus einem Austausch mit Alex Feuerherdt (Twitter: @LizasWelt) über das Thema inspiriert – unhöflicherweise die Gegenfrage stellen, ob sie für sich alle Widersprüche und Ungereimtheiten in ihrem eigenen Leben beseitigt haben und frei von (moralischen) Grauzonen sind?
Ein Handeln nach eigenen Grundsätzen in dieser Welt ist gar nicht möglich heißt es oft. Damit haben viele ihren Frieden gemacht und sich irgendwie damit abgefunden. Ich kann nur für mich sprechen und sagen, dass ich dieses Appeasement mir selbst gegenüber nicht mehr haben möchte und in vielen Bereichen meines Lebens Dinge angehen und ändern werde.
Der Profifußball und der FC Bayern fällt in einen dieser Bereiche und ich stehe damit noch am Anfang, aber ich bin gespannt auf die Auswirkungen und meine Sichtweise in der Zukunft.
Yalcin Imre
twitter: @fehlpass
web: http://fehlpass.com
e-mail: yalcin -ät- fehlpass.com
Hallo Yalcin,
kann deinen Kommentar nur unterschreiben.
Verstehe, vor allem aufgrund der sich aktuell abzeichnenden u. künftig wohl weiter zuspitzenden Konkurrenz v.a. mit der Premier-League, was den Erwerb wirklich guter Spieler angeht, den Wunsch des FCB, auch u. vor allem in der großen weiten Welt neue, finanzstarke Fans u. Sponsoren zu gewinnen. Der FCB will halt künftig weiterhin ganz oben mitreden, was den sportlichen Erfolg angeht, und das geht halt immer noch am Besten über ein reichhaltiges Budget („Geld schießt keine Tore“, hahaha).
Allerdings sollten sich heutzutage manche Geschäfte / Partnerschaften aus moralischer Sicht verbieten. Die aktuellen Äußerungen Rummenigges zum Katar-Trainingslager u. dem Sponsoring sind nicht nur sehr dünn, sondern auch dumm und vor allem ärgerlich. Ein Verein mit einer so großen Öffentlichkeitswirksamkeit wie der FCB darf heute keinesfalls mehr davon ausgehen, dass seine Entscheidungen nur sportliche Auswirkungen / Konsequenzen haben.
Ich bin in München geboren und war bisher immer Fan des FCB. Jetzt allerdings schäme ich mich so sehr für diesen Verein, dass ich von künftigen Stadionbesuchen absehen werde.
Auch mein Sky-BuLi-Abo lasse ich auslaufen. Irgendwie ist mir schleichend, wohl auch aufgrund der aktuellen Dominanz der Bayern in der Liga, über die letzten Jahre hinweg der Spaß am Fußballgucken abhanden gekommen.
Jetzt also der Schwall, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat.
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