Um irgendwann um kurz nach 11 gestern abend war es wieder da, das „Polen-Gefühl“ der WM 2006 – diesmal aber nicht in Dortmund, sondern in der Allianz Arena in München. Ganze 120 Minuten hat es gedauert, bis der Ball im Sechziger Tor lag und Spielleiter Gagelmann den Treffer auch anerkannte. Aber trotz der Freude über den Einzug in das Halbfinale, gab es genug Momente in denen man als Bayern-Fan schier verzweifeln konnte.
Denn bevor Ribéry den Sieg gegen den Lokalrivalen eintüten konnte, offenbarte sich den Zuschauern erneut wie abhängig das münchener Spiel inzwischen von den Aktionen des kleinen Franzosen ist. Denn ohne ihn spielten die Bayern behäbiger, gemächlicher gegen gut stehende und engagiert verteidigende Löwen. So kam was kommen musste: Der Ball wurde uninspiriert in der eigenen und gegnerischen Hälfte hin und hergeschoben, überraschende Aktionen, Laufwege und Pässe in die Tiefe waren eine Seltenheit. Momente, in denen es sogar einige Male den langen, planlosen Ball nach vorne gab, losgeschickt mit einem Stossgebet von Lucio und der Hoffnung Luca Toni möge irgendwie drankommen ohne ins Abseits zu laufen.
Selbiger belegte durch seine vielen Aktionen im Spiel meine seit Wochen in meinen nicht vorhandenen Bart gemurmelte Theorie: Er kann einfach nicht Fussball spielen. Das heisst was er kann, ist seine Gegenspieler in Strafraumnähe quasi niederzuringen, um dann den Ball einzunetzen. Damit erschöpfen sich auch seine fussballerischen Qualitäten, denn Toni´s Nutzen strebt -ausserhalb der gegnerischen Red Zone- gegen Null: Er kann keinen Gegner z.B. auf den Flügeln ausspielen, seine Pässe, egal ob lang oder kurz sind oft ungenau, weil er meist schon den Gegner im Nacken bzw. vor sich sitzen hat und an ein Dribbling darf man überhaupt nicht denken. Aber: Nichts gegen den Mann! In und um den Strafraum kann er Buden machen, wie kein Zweiter. Weltklasse – keine Frage. Ausserhalb dessen ist er verschenkt.
Aber er soll ja auch nicht auf den Flügeln herumturnen und von der Grundlinie Flanken schlagen, denn dieser Job ist ja u.a. Aussenverteidigern wie Willy Sagnol auf den Leib geschrieben. Dumm nur, das Willy gestern nichts davon gezeigt hat, warum er eigentlich für Bayern spielt. Pomadig im Spielaufbau, pomadig in der Verteidigung. Nicht ein nützlich Ball von ihm in der Offensive und wenn er mal geflankt hatte, landete der Ball wieder im nichts. Seine Auswechslung gegen Lell kam für mich wie einer Erlösung gleich. Denn genau wie Ribéry auf links mehr Dynamik und Gefahr brachte, schaffte es Christian Lell auf der rechten Aussenbahn einige Male gefährlich nach vorne zu stossen um von der Aussenlinie zu flanken bzw. Eckbälle rauszuholen. Er wirkte um Welten agiler und schneller als Sagnol und das sogar so gut, dass zumindest für mich, der rechte Aussenverteidiger Nr.1 für den Rest der Saison feststeht. Ich wäre überrascht, wenn Sagnol sich in dieser Saison noch einmal in der ersten 11 wiederfinden würde.
Der Sieg gegen 60 war letztlich verdient. Über weite Strecken des Spiels war man die offensivere Mannschaft und hatte reichlich Chancen zur Führung. Die Löwen ihrerseits haben aber das Beste aus ihren Möglichkeiten gemacht. Respekt dafür.